In den einschlägigen Publikationen interessierter Kreise scheint die Sache sonnenklar. Aufgrund der demographischen Verteilung sind zahlreiche Makler demnächst gezwungen, aus Altersgründen ihre Unternehmen bzw. ihre Bestände zu verkaufen. Tatsächlich aber bleiben viele Makler an ihren Beständen kleben und versuchen, möglichst lange und möglichst viel Courtage aus ihren Beständen zu ziehen, auch wenn ihnen eine ordnungsgemäße Betreuung der Bestände nicht mehr möglich ist. Dies ist nicht ohne Risiko.
Ausgangslage
Viele Makler sind heute schon weit über fünfzig. Ihnen wird zurecht geraten, sich möglichst bald mit dem Thema Nachfolge oder Verkauf zu beschäftigen und dies sorgfältig zu planen. Als Planungshorizont wird allgemein ein Zeitraum von mindestens fünf Jahren empfohlen. Nur dann ist genügend Zeit, die Nachfolge oder einem Verkauf optimal vorzubereiten und umzusetzen. Viele Unternehmen geraten in die Krise, wenn die Unternehmensnachfolge nicht sorgfältig genug vorbereitet ist.
Abstimmung mit den Füßen
Bei dieser Ausgangslage müssten eigentlich viele Makler bereits kurz vor der Transaktion ihres Unternehmens stehen. Tatsächlich ist aber am Markt zu beobachten, dass viele Makler noch mit weit über 60 oder 70 Jahren ihr Unternehmen betreiben und nicht verkaufen wollen oder können. Die Ursachen sind vielfältig und können hier nicht abschließend analysiert werden. Häufige Ursachen sind enttäuschte Kaufpreiserwartungen, strukturelle Probleme und Risiken im Bestand oder rechtliche Hürden. Und vor allem Unentschlossenheit.
Insbesondere völlig überzogene und am Markt nicht durchsetzbar Kaufpreiserwartungen halten Makler vom Verkauf ihrer Unternehmen oder Bestände ab. Dahinter steckt das Kalkül, dass das “Weiterlaufenlassen der Bestände“ mehr bringt als der Verkauf. Die Rechnung ist banal. Um einen angenommenen Kaufpreis vom 1,5-fachen oder auch 2-fachen des Jahresumsatzes durch Courtageeinahmen zu egalisieren, muss man das Unternehmen ja „nur“ eineinhalb oder zwei Jahre fortführen. Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung. Denn erstens sind fortlaufende Kosten und Unternehmerlohn auf der Strecke geblieben. Und zweitens können die fortlaufenden Courtageeinnahmen nur dann nachhaltig gesichert werden, wenn das Maklerunternehmen seinen gesetzlichen und vertraglichen Pflichten gegenüber seinen Kunden nachkommt, das Unternehmen also funktioniert. Und solange der Makler gewährleisten kann, dass das Unternehmen funktioniert, muss er auch nicht verkaufen. Die Probleme fangen erst an, wenn der Makler nicht mehr in der Lage ist, den ordnungsgemäßen Betrieb seines Unternehmens zu gewährleisten.
Das Dilemma
Spätestens dann müssen Makler sich entscheiden, ob sie verkaufen oder weitermachen wollen. Wenn ein Makler sich nicht entscheiden kann, steht er vor einem Dilemma. Wenn sich die Alternativen wechselseitig blockieren, kann das Dilemma nicht aufgelöst werden. Dies ist schön beschrieben in einem Gleichnis, das dem Philosophen Johannes Buridan zugeschrieben wird: Ein Esel steht zwischen zwei gleich großen und gleich weit entfernten Heuhaufen. Er verhungert schließlich, weil er sich nicht entscheiden kann, welchen er zuerst fressen soll.
Das Problem unbetreuter Bestände
Wenn das Weitermachen mit nur mit Einschränkungen möglich ist, führt dies zu einem massiven Problem. Der Bestand des Maklers wird nicht mehr ordnungsgemäß betreut. Kundenbeziehungen brechen weg, notwendige Vertragsanpassungen unterbleiben, Haftungsfälle entstehen. Die Begriffe Bestand und Betreuung sind unscharf und problematisch. Gemeint ist das Rechtsverhältnis des Maklers zu seinen Kunden und die daraus für den Makler resultierenden Pflichten gegenüber den Kunden. Das Rechtsverhältnis des Maklers zu seinen Kunden wird durch gesetzlich determinierte und vertraglich versprochene Pflichten geprägt.
Wenn ein Makler nur noch beschränkt weitermachen kann, muss er prüfen, ob er trotzdem seine gesetzlichen und vertraglichen Pflichten einhalten kann. Dies ist bei schriftlichen Maklerverträgen vielleicht noch einigermaßen möglich. In der Praxis vieler betroffener Makler bestehen aber nur wenige oder keine schriftlichen Maklerverträge. Dann steht zu befürchten, dass der Makler seine gesetzlichen und vertraglichen Pflichten gegenüber seinen Kunden gar nicht abschätzen kann und damit auch gar nicht messen kann, welche Folgen ein beschränktes Weitermachen im Blick auf die Kundenverhältnisse zu befürchten sind.
Die Folgen sind zunächst finanzieller Art. Unzufriedene Kunden stimmen mit den Füßen ab. Sie gehen weg und suchen sich andere Vermittler oder werden von anderen Vermittlern angesprochen. So erodieren die Bestände, Courtageeinnahmen brechen ein. Tempo und Ausmaß der Courtageausfälle sind natürlich abhängig von den Einschränkungen im Leistungsvermögen des Maklers und erfolgen mit einer zeitlichen Verzögerung. Nicht wenige Makler setzen darauf, dass die Summe der zukünftigen Courtageeinnahmen trotz der steigenden Einbrüche immer noch höher ist als ein am Markt erziehbare Kaufpreis für das Unternehmen oder den Bestand.
Das Kalkül kann nur scheinbar aufgehen. Denn ein beschränktes Weitermachen birgt vor allem haftungsrechtliche Folgen. Auch bei einem eingeschränkten Weitermachen bleiben die Pflichten des Maklers gegenüber seinen Kunden uneingeschränkt weiterbestehen. Wenn also beispielsweise ein Kunde eine Risikoveränderung mitteilt und der Makler nicht oder nicht rechtzeitig in der Lage ist, den Kunden im Hinblick auf notwendige Änderungen zu beraten und eine notwendig werdende Änderung eines Versicherungsvertrages zu vermitteln, hat er ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko, das sich potenzieren kann, wenn viele Kunden betroffen sind. Der Makler kann sich von seiner Sachwalterverpflichtung nur lösen, wenn er bestehende Maklerverträge kündigt oder – mit Zustimmung der Kunden – auf einen anderen Makler überträgt. Kündigung macht keinen Sinn, weil sie zur Auflösung des Bestandes führt. Übertragung ohne Gegenleistung macht ebenfalls keinen Sinn. Also Verkauf.
Fazit
Die Fortführung eines Maklerbüros mit halber Kraft kann nicht ernsthaft empfohlen werden und ist deshalb keine Option. Die damit verbundenen Risiken können für Makler existenziell sein. Solange der Makler sein Unternehmen professionell und ohne Einschränkungen bei den Pflichten gegenüber den Kunden fortführen kann, ist der Verkauf des Unternehmens oder des Bestandes nicht zwingend erforderlich. Dennoch sollte jedem Makler klar sein, dass früher oder später der Zeitpunkt kommt, ab dem die Fortführung des Unternehmens nicht mehr ohne Einschränkungen möglich ist. Dann führt an dem Verkauf des Unternehmens oder des Bestandes kein Weg mehr vorbei. Genauso sollte jeder Makler klar sein, dass der Verkauf rechtzeitig und gut vorbereitet sein muss. Dazu zählt beispielsweise die Optimierung der Kundenbeziehungen mit aktuellen Maklerverträgen. Und dazu zählt auch die rechtzeitige Suche nach einem geeigneten Nachfolger oder Käufer. Ganz wichtig: Notfallplanung nicht vergessen.